Tagesarchiv: 8. November 2008

阿扁下台! — 馬英九下台!

Nicht mal zwei Jahre ist es her, dass die Menschen überall in Taiwan – besonders in Taipei – mit roten T-Shirts bekleidet durch die Straßen liefen und öffentliche Plätze besetzten, um ihrer Forderung 阿扁下台! (Chen, tritt zurück!) Nachdruck zu verleihen.

Damals demonstrierten vor allem Studenten und angehörige der (chinesischstämmigen) Mittelschicht gegen die korrupte DPP-Regierung – allen voran Chen Shui-bian – und deren Unabhängigkeitsbestrebungen, die viele Taiwanesen als Hauptgrund für den wirtschaftlichen Abschwung in Taiwan verantwortlich machten.

Mit der KMT wird alles besser! Diese Hoffnung brachte der Partei mit Ma Ying-jiu als Präsidentschaftskandidaten im März dieses Jahres den Sieg und führte nach acht Jahren DPP zu einem Regierungswechsel in Taiwan.

Ma Ying-jiu versprach die unter der DPP zunehmend angespannten Beziehungen zum Festland wieder zu entspannen und die Wirtschaftsbeziehungen zur „anderen“ Seite der Taiwan-Straße zu intensivieren. Zu seinen wichtigsten Wahlversprechen gehörten die langgeplante Einführung von Direktflügen (seit Anfang der 90er Jahre geplant und nun endlich umgesetzt) sowie die Reduzierung (Aufhebung) von Investitionsbeschränkungen für taiwanesische Firmen auf dem Festland.

Was Ma Ying-jiu damals zum Sieg verhalf, führt die Regierung nun in die Krise. Die weltweite Finanzkrise geht auch an Taiwan nicht spurlos vorrüber und, wie auch bei uns daheim, wird auch hier alles teurer: Benzin, Lebensmittel, Strom, Gas usw. Das ist natürlich nicht Mas schuld, aber für viele Taiwanesen stehen die Preiserhöhungen in direktem Zusammenhang mit dessen chinafreundlicher Politik.

Viele Taiwanesen fürchten den „Verkauf“ Taiwans an China. Diese Angst nutzt die DPP geschickt und organisiert bereits seit Wochen Kundgebungen, auf denen der Rücktritt von Präsident Ma aus genau diesem Grund gefordert wird. Bisheriger Höhepunkt ist die „Yellow ribbon siege“ (黃絲帶行動) anlässlich des Besuchs von Chen Yun-lin, Vorsitzender der Association for Relations Across the Taiwan Straits (ARATS), der Organisation, die auf chinesischer Seite für die Verhandlung über die Taiwan-Beziehungen verantwortlich ist.

Am Donnerstag (6. November 08) zogen die mit gelben Schärpen „bewaffneten“ Gegner Ma Ying-jius Politik angeführt von der Vorsitzenden der DPP, Cai Ying-wen (蔡英文) vom Legislative Yuan zum Taipei Guest House an der ZhongShan South Road und wieder zurück durch die LinSen South Road, RenAi Road, Xinyi Road und Hangzhou South Road. Ziel war dabei, den Regierungsbezirk von Taipei zu belagern (圍城計畫).

Ich persönlich kann beide Seiten sehr gut verstehen: Auf der einen Seite stehen die Unterstützer Ma Ying-jius mit ihrer Angst, sich durch zu starke Forderungen nach Selbständigkeit international zu isolieren, wirtschaftlich vom viel mächtigeren China abgehängt zu werden; auf der anderen Seite stehen dessen Gegner, sie fürchten um den „Verkauf“ ihres Landes an das dikatorische China, einhergehend mit dem Ende der lang und hart erkämpften Demokratie und der Aufgabe der eigenen taiwanesischen Identität.

Selbstverständlich wäre eine Unabhängigkeitserklärung Taiwans auch für China nicht folgenlos: Experten fürchten hier vor allem den Domino-Effekt, die schlagartige Ausbreitung von Seperationsbewungen auf andere Teile Chinas, wie Tibet, Xinjiang usw.

Letztendlich bin ich allerdings davon überzeugt, dass sich Taiwan mit einer strikten Anti-China-Haltung mehr schadet als nutzt: China ist für Taiwan – zumindest wirtschaftlich – deutlich wichtiger als Taiwan für China. Die Wirtschaften beider Länder sind so eng miteinander verknüpft, dass ein plötzlicher Abbruch der Beziehungen Taiwan in eine schwere Krise stürzen würde.

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